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23.09.2021

Gabriel de Gabrielis Residenzplatz – eine städtebauliche Glanzleistung

Stadtansicht Residenzplatz

Der Residenzplatz Gabrielis. Stadtansicht aus dem Hochstiftkalender von 1758. Repro: Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt.

Eichstätt. (pde) – Mit Einschränkungen können die Veranstaltungen der Reihe „Geistiger Mittagstisch“ wieder in Präsenz stattfinden. Kunsthistorikerin Dr. Claudia Grund, Leiterin des Domschatz- und Diözesanmuseums Eichstätt, führte vor wenigen Tagen eine Gruppe über den Residenzplatz in Eichstätt. Da aufgrund der Corona-Beschränkungen Gäste abgewiesen werden mussten, bietet sie hier die Kurzführung in Schriftform.

Der Residenzplatz gilt als die bedeutendste städtebauliche Leistung in Eichstätt und als Platzanlage von internationalem Rang. Im Verlauf nur weniger Jahre schuf der fürstliche Hofbaudirektor Gabriel de Gabrieli durch feinst aufeinander abgestimmte Bauten einen „Festsaal“ unter freiem Himmel für die fürstliche Repräsentation und festliche Aufzüge.

Gabrielis gezielte Planung zur völligen Umgestaltung des Geländes zwischen Südflügel der Residenz und Altmühl fällt in die Zeit nach der Vollendung der Hofkanzlei und des davor gelegenen rechteckigen Residenzplatzes. Die Ausdehnung des künftigen Hauptplatzes war von vorne herein durch den Flussverlauf, die Stadtmauer sowie den mittelalterlichen fürstbischöflichen Getreidekasten im Osten vorgegeben. Mit großem Geschick reagierte Gabrieli auf diese topographischen wie baulichen Gegebenheiten, ohne sie zu ignorieren. An Stelle der Vorgängerbebauung entstanden repräsentative Amts- und Wohngebäude, die sich zu einer einzigartigen Platzinszenierung vereinigen.

Die Nordflanke des Platzes besetzt die ehemalige fürstbischöfliche Residenz, mit deren Planung bereits Bischof Martin von Eyb seinen Hofbaumeister Jakob Engel beauftragt hatte: 1699-1702 entstand der Westflügel, bis 1707 folgte der Ostflügel. Erst 1725-27 errichtete Gabrieli den Südflügel und schloss damit unter Einbeziehung mindestens eines bereits vollendeten Eckerkers die Dreiflügelanlage der Residenz, wobei er bewusst der frühbarocken Formensprache Engels folgte.

Nachdem der Vorgängerbau der Stadtresidenz, der „Alte Hof“, die weltlichen und geistlichen Hochstiftsbehörden unter einem Dach vereint hatte, ergab sich mit der Verlegung der Hofhaltung von der Willibaldsburg in die Stadt die Notwendigkeit eines eigenen Kanzleigebäudes in nächster Nähe. Daher errichtete Gabrieli 1728 gegenüber dem Westflügel der Residenz den dreiflügeligen Neubau der Hofkanzlei, deren zurückhaltende, ernste Gestaltung differenziert auf das schwere hochbarocke Formengut des Schlosses reagiert. In seinem durch Arkaden geöffneten Erdgeschoss befanden sich die Residenzwache und die Registraturen, das erste Obergeschoss besetzten die Kanzleien, Amtsstuben, Beratungs- und Sitzungszimmer der geistlichen und weltlichen Regierung. Im als Mezzanin ausgebildeten zweiten Obergeschoss hatten die Pagen ihre Unterkünfte.

Während der strenge Bau der Hofkanzlei der Bedeutung der Regierungsinstanzen architektonischen Ausdruck verlieh, spricht das südlich folgende Amtsgebäude des Generalvikars, des geistlichen Stellvertreters der Bischöfe, die architektonische Sprache eines liebenswürdigen Landschlösschens im Stile des Frührokoko. Als geschlossener und zentrierter Baukörper mit Mansardwalmdach und flankierenden Toreinfahrten fungiert es als verbindendes „Gelenk“ zu der anschließenden langen Zeile der „Kavaliershöfe“, welche als Wohnungen für den Obrist-Hofmarschall, den Obrist-Stallmeister, den hochfürstlichen Landvogt und für fürstliche Gäste dienten. Mit ihnen schuf Gabrieli seine wohl dekorativsten Fassaden. Die Kavaliershöfe bilden die südliche Begrenzung des Platzes und steigerten durch die sich vergrößernde Distanz zur Residenz deren absolutistische Bedeutung. Die eigentlich vier Einzelgebäude mit jeweils eigenen Portalen, entstanden zwischen 1730 und 1736, werden unter dem durchlaufenden Mansardwalmdach zusammengefasst. Ihr Auftraggeber, Bischof Franz Ludwig Schenk von Castell, erlebte die Vollendung nicht mehr – die schleppende Bauausführung führte zu einer Ordnungsstrafe für Gabrieli, der damals wieder einmal mehrere Projekte gleichzeitig betreute.

Die folgenden Palaisbauten, der Domherrenhof Guttenberg und der Domherrenhof Dietrichstein, dienten wie schon ihre bis ins Mittelalter zurückreichenden Vorgänger als Wohnhäuser. Gabrieli verlieh jeder Fassade ein eigenes Gepräge mit seinen typischen architektonischen Mitteln, wobei er durch eine nach Osten absinkende Linie der Dachgesimse optisch die Tiefenerstreckung des Platzes verstärkte – der Hof Dietrichstein wurde als Maria-Ward-Schulgebäude erst 1906 erhöht und erweitert.

Den östlichen Platzabschluss bilden die beiden zweigeschossigen, breit hingelagerten Blöcke der Kanonikerhöfe mit ihren Mansardwalmdächern, die durch einen prächtigen Torbogen miteinander verbunden sind. In jedem der 1732 erbauten Doppelhäuser befinden sich zwei Wohnungen mit eigenen Eingängen, welche die vier Kanoniker des im 13. Jahrhundert gegründeten Willibaldschorstifts bewohnten. Wie eine Hintergrundfolie bildet wiederum das mächtige Dach des fürstbischöflichen Getreidekastens den optischen Abschluss, wobei sich die Dachlandschaften durch die zahlreichen Gauben erheblich lebendiger präsentierten als heute.

Der von Gabrieli geschaffene Platzraum wurde durch seinen Nachfolger Mauritio Pedetti folgerichtig möbliert und damit das barocke „Theater“ mit Akteuren versehen. 1777-1780 entstanden die beiden Brunnen samt Mariensäule und das Lindenrondell, welche nicht nur untereinander, sondern auch auf die umliegende Bebauung engsten Bezug nehmen.

Das ebenso ausgeklügelte wie sensible Platzkonzept eines Gesamtkunstwerks mit seinen feinen Bezügen wurde im 19. Jahrhundert empfindlich durch eine unter den Herzögen von Leuchtenberg angelegte Baumbepflanzung gestört. Diese wurde, inzwischen übermächtig geworden, 1929/30 entfernt und durch eine Grünanlage mit Rasenflächen ersetzt. Nach seiner Rekonstruktion in den 1980er Jahren präsentiert sich der Platz heute annähernd wieder als barockes Gesamtkunstwerk und bedeutet damit eine respektvolle Verbeugung vor dem Genius seiner Schöpfer.

Claudia Grund

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