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Der Akanthusaltar von Königstein (März 2018)

In der Pfarrkirche St. Michael in Königstein/Opf. trifft man auf ein Altarretabel mit einer Muttergottes-Skulptur, das unseren Sehgewohnheiten und Erfahrungen mit barocker Kirchenausstattung nicht entspricht. Es handelt sich um einen sogenannten Akanthusaltar, der im Gegensatz zu den üblichen barocken Altären keine architektonische Struktur hat. Man erkennt also keine Säulen, keine Pfeiler, keinen Architrav und keinen Giebel, sondern das bestimmende Element ist das Ornament, es sind gerollte Bänder, aus denen feine Akanthusblätter und Blüten herauswachsen.

Die Pfarrkirche St. Michael wurde in den Jahren 1963-1965 von dem Nürnberger Architekten Peter Leonhardt errichtet. Es handelt sich um eine anspruchsvolle moderne Architektur, die durch landschaftstypische Elemente, nämlich Bruchsteinmauerwerk geprägt ist. Die Längsseiten bestehen aus Sichtbeton mit ausgestanzten Öffnungen für eine Farbverglasung. Vor 1965 gab es für beide Konfessionen in Königstein nur eine gemeinsame Kirche, ein Simultaneum, eine Besonderheit, die zurückgeht auf das ehemalige pfalzneuburgische Fürstentum Sulzbach. Dieser barocke Sakralbau befindet sich am Marktplatz und dient heute nur noch der evangelischen Gemeinde. Er wurde 1783 bis1785 erbaut, als die Pfarrei noch der Jurisprudenz des Bamberger Bischofs unterstand. Im Jahr 1829 wurde im Zuge einer Gebietsbereinigung die Pfarrei Königstein dem Bistum Eichstätt einverleibt. Die St. Georgskirche war bis in die Zeit um 1965 ausgestattet wie ein katholischer Kirchenbau, u. a. mit Seitenaltären. Dabei handelte es sich um die genannten Akanthusaltäre. Als die katholische Pfarrei die St. Georgskirche der evangelischen Gemeinde überließ, wurden liturgisch nicht mehr notwendige Ausstattungsstücke ausgebaut und deponiert. Die spätgotische Marienstatue eines Seitenaltars und andere Figuren übernahm die katholische Pfarrei für ihren neuen Kirchenbau.

Im Zuge einer Neuentdeckung und verdienstvollen wissenschaftlichen Bearbeitung der Akanthusaltäre rückten auch die Königsteiner Exemplare ab 1984 wieder ins öffentliche Bewußtsein.[1] Sie waren aufgrund der langen, unsachgemäßen Lagerung vom Verfall bedroht. In gemeinsamen Anstrengungen gelang es, die Verantwortlichen dafür zu sensibilisieren. Schließlich wurde im Jahr 1984 ein Altaraufbau konserviert und restauriert. Er wurde in der Pfarrkirche St. Michael aufgestellt und mit der Marienfigur bestückt, so dass der historische Marienaltar wieder erlebbar ist. Der andere Altar für den hl. Sebastian wird seitdem fachgerecht im Stadtmuseum Sulzbach-Rosenberg verwahrt.

Die Muttergottes als Himmelskönigin, eine feine Skulptur, um 1500 wohl in einer Nürnberger Werkstatt gefertigt, wird geborgen von einer schmalen Nische. Sie wird umfangen wie ein Kleinod durch das üppige Ornament, das aus geriffeltem, breiten Bandwerk, weit geschweiften Akanthusranken, Blüten und Astwerk besteht. – Das distelartige Akanthusblatt war in der antiken Architektur verbreitet und wurde in der hochbarocken Kunst zum dominierenden Ornament. ­­– Als oberer Abschluß wird eine Herzform gebildet, in der eine Schriftkartusche sitzt.

Die Bearbeiter Wolf-Dieter Hamperl und Aquilas Rohner stellten einen systematischen Katalog dieses barocken Altartyps, der nur in Oberfranken, der Oberpfalz und in Böhmen beheimatet ist, zusammen. Diese Schnitzwerke sind ein Ausdruck für die verspielte Lebensfreude jener Zeit und für den künstlerischen Sinn, etwas Feines und Unscheinbares durch eine großartige Umrahmung zur Wirkung zu bringen. Ein wichtiger Autor solcher Werke ist der Bildhauer Johann Michael Doser (geboren 1678 in Degelsdorf bei Auerbach, gestorben 1756 in Auerbach). Die beiden Königsteiner Altäre werden ihm aufgrund der stilistischen Verwandtschaft mit seinen gesicherten Werken zugeschrieben.[2] Sie werden in die Zeit um 1713-1720 datiert.

Emanuel Braun

[1] Wolf-Dieter Hamperl, Aquilas Rohner, Böhmisch-oberpfälzische Akanthusaltäre, München, Zürich 1984.

[2] Wolf-Dieter Hamperl, Aquilas Rohner, Die Schnitzwerke Johann Michael Dosers in Oberfranken und der Oberpfalz, München, Zürich, 1990, S. 46.

Pfarrei Königstein

Die Pfarrkirche St. Michael wurde 1963 bis 1965 gebaut. Zuvor hatten seit der Reformation und der Gegenreformation die evangelischen und katholischen Christen die St. Georgskirche am Marktplatz gemeinsam genutzt.

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