In der Pfarrkirche St. Michael in Königstein/Opf. trifft man auf ein Altarretabel mit einer Muttergottes-Skulptur, das unseren Sehgewohnheiten und Erfahrungen mit barocker Kirchenausstattung nicht entspricht. Es handelt sich um einen sogenannten Akanthusaltar, der im Gegensatz zu den üblichen barocken Altären keine architektonische Struktur hat. Man erkennt also keine Säulen, keine Pfeiler, keinen Architrav und keinen Giebel, sondern das bestimmende Element ist das Ornament, es sind gerollte Bänder, aus denen feine Akanthusblätter und Blüten herauswachsen.
Die Pfarrkirche St. Michael wurde in den Jahren 1963-1965 von dem Nürnberger Architekten Peter Leonhardt errichtet. Es handelt sich um eine anspruchsvolle moderne Architektur, die durch landschaftstypische Elemente, nämlich Bruchsteinmauerwerk geprägt ist. Die Längsseiten bestehen aus Sichtbeton mit ausgestanzten Öffnungen für eine Farbverglasung. Vor 1965 gab es für beide Konfessionen in Königstein nur eine gemeinsame Kirche, ein Simultaneum, eine Besonderheit, die zurückgeht auf das ehemalige pfalzneuburgische Fürstentum Sulzbach. Dieser barocke Sakralbau befindet sich am Marktplatz und dient heute nur noch der evangelischen Gemeinde. Er wurde 1783 bis1785 erbaut, als die Pfarrei noch der Jurisprudenz des Bamberger Bischofs unterstand. Im Jahr 1829 wurde im Zuge einer Gebietsbereinigung die Pfarrei Königstein dem Bistum Eichstätt einverleibt. Die St. Georgskirche war bis in die Zeit um 1965 ausgestattet wie ein katholischer Kirchenbau, u. a. mit Seitenaltären. Dabei handelte es sich um die genannten Akanthusaltäre. Als die katholische Pfarrei die St. Georgskirche der evangelischen Gemeinde überließ, wurden liturgisch nicht mehr notwendige Ausstattungsstücke ausgebaut und deponiert. Die spätgotische Marienstatue eines Seitenaltars und andere Figuren übernahm die katholische Pfarrei für ihren neuen Kirchenbau.
Im Zuge einer Neuentdeckung und verdienstvollen wissenschaftlichen Bearbeitung der Akanthusaltäre rückten auch die Königsteiner Exemplare ab 1984 wieder ins öffentliche Bewußtsein.[1] Sie waren aufgrund der langen, unsachgemäßen Lagerung vom Verfall bedroht. In gemeinsamen Anstrengungen gelang es, die Verantwortlichen dafür zu sensibilisieren. Schließlich wurde im Jahr 1984 ein Altaraufbau konserviert und restauriert. Er wurde in der Pfarrkirche St. Michael aufgestellt und mit der Marienfigur bestückt, so dass der historische Marienaltar wieder erlebbar ist. Der andere Altar für den hl. Sebastian wird seitdem fachgerecht im Stadtmuseum Sulzbach-Rosenberg verwahrt.