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Der hl. Sebastian im Karner von Pfaffenhofen (April 2019)

In einem Fragment eines spätgotischen Freskos wird uns das Martyrium des populären, in ganz Bayern sehr verehrten hl. Sebastian vorgeführt. In der Bildmitte erkennen wir die schlanke Figur des jungen Mannes, der nur mit einem Lendentuch bekleidet an einen kahlen Baum gefesselt ist. Die Arme sind hoch über den Kopf gebunden. Er ist mit dem Nimbus gekennzeichnet und mit einer Kopfbedeckung ausgestattet, die einer Herzogskrone ähnelt, wohl als Hinweis auf seinen Stand. Sein Körper ist mit langen Pfeilen gespickt. Am linken Bildrand erkennt man eine kniende Figur. Dabei handelt es sich um einen jugendlichen Schützen, der in aufwendiger Tracht mit verschieden farbigen Beinlingen, weiten Ärmeln und einer kunstvollen, spitz zulaufenden Kopfbedeckung, wie man sie von den Moriskentänzern her kennt, seinen Bogen spannt und einen Pfeil auf Sebastian richtet. Die dahinterstehende Figur, die auf Sebastian blickt, ist durch Mitra und Stab als Bischof ausgewiesen. Als Pendant zu dem Schützen steht rechts ein zweiter Bogenschütze in gebückter Haltung. Er trägt einen kurzen Rock aus Fell mit weiten, geschlitzten Ärmeln und eine einfache Kopfbedeckung. Auch er zielt mit grimmiger Miene in Richtung des Marteropfers. Hinter ihm ist wieder ein Heiliger mit Blick auf Sebastian angeordnet, diesmal handelt es sich um einen Papst. Bischof und Papst lassen sich nicht identifizieren, weil ihre individuellen Attribute nicht mehr erkennbar sind.

Pfaffenhofen im idyllischen Tal der Lauterach ist ein überaus interessanter und geschichtsträchtiger Ort. Er wird geprägt von einer Burgruine auf der Höhe und von dem Ensemble von Kirche, Karner, Pfarrhaus und Gasthaus auf einer Terrasse im Tal. Unmittelbar hinter der Kuratiekirche St. Martin steigt das Gelände steil an.

Pfaffenhofen gehört zu den Urpfarreien des Bistums Eichstätt. Die Siedlung bestand schon vor der Gründung des Klosters Kastl und war jahrhundertelang eine Pfarrei, die dem Kloster inkorporiert war. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Pfarrei nach Kastl verlegt. Die heutige Kuratiekirche ist ein im Ursprung romanischer Bau. Bei der Kirche gab es einen Friedhof. Im Mittelalter waren die Friedhöfe so klein bemessen, dass bei der damaligen hohen Sterblichkeitsrate Gräber in kurzer Folge belegt werden mussten. Die dadurch entstehenden Probleme, wie man würdig  mit den vielen sterblichen Überresten umzugehen habe, löste man dadurch, dass man spezielle Sakralbauten für die Aufbewahrung von Gebeinen und für Kapellen, in denen Totenmessen gefeiert werden konnten, entwickelte. Diese Beinhäuser nannte man in Süddeutschland und Österreich Karner, ein Lehnwort des lateinischen „caro“(das Fleisch). Aufgrund ihrer Seltenheit ist die Oberpfalz ist eine Art Rückzugsraum für solche Baudenkmäler. Kaum ein Karner ist jedoch in seiner eigentlichen Funktion mehr erlebbar.

Der Karner von Pfaffenhofen wurde wohl im frühen 13. Jahrhundert erbaut als zweigeschossiger gewölbter Bau mit Satteldach. Das als Kapelle genutzte Obergeschoß erhielt eine interessante Ausstattung mit Malerei und Stuck: Bei den Figuren wurden die Nimben plastisch hervorgehoben. Das Gewölbe wurde mit stuckierten Sternen und mit modellierten Graten geschmückt. An der Ostseite befand sich eine Erkerapsis.  

Im 15. Jahrhundert fanden Veränderungen statt: Die Apsis wurde entfernt. Es wurden größere gotische Fenster eingebaut. Fast die gesamten verputzten Flächen wurden mit einer neuen Schicht übermalt. Es handelt sich um verschiedene figürliche Darstellungen und um ornamentale Malerei. Zu dieser Fassung gehört die beschriebene Szene mit dem hl. Sebastian. Der Heilige, ein Offizier, erlitt im Zusammenhang mit der Christenverfolgung des Kaisers Diokletian in Rom den Martertod. Zunächst wurde er mit Pfeilen erschossen. Doch Irene konnte ihn gesund pflegen. Anschließend wurde er auf kaiserlichen Befehl in der „Cloaca Maxima“, dem römischen Abwassersystem, ertränkt. Sebastian wird unter anderem angerufen als Patron bei Pestepidemien und von Sterbenden. Damit wäre erklärbar, warum seine Legende im Karner verbildlicht worden ist.

Im Zuge der Wiederentdeckung mittelalterlicher Kulturgüter wurde der Karner im Jahr 1907 restauriert, wobei man die Wandmalerei unter späteren Schichten entdeckte. Danach wurden die hohe Luftfeuchtigkeit im Raum und damit verbunden schädliche Salze im Mauerwerk zum Problem für das Kleinod. In den Jahren 1989 und 1990 schaffte man schließlich in einer konzertierten Aktion eine nachhaltige Verbesserung der Situation und eine Sicherung des Bestands.

Emanuel Braun

Kuratiekirche St. Martin in Pfaffenhofen

Pfaffenhofen gehört zu den Urpfarreien des Bistums Eichstätt. Die Kirche St. Martin geht auf das 11. Jahrhundert zurück, der Karner wurde wohl im frühen 13. Jahrhundert erbaut.

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