Unser Bild mit Matthäus ist das erste in der Reihe der Evangelistenbildnisse, und diese vier Tafeln sind vom Maler in einer chronologischen Abfolge der Tätigkeiten in einer Schreibwerkstatt angeordnet worden: Johannes ist beim Schreiben zu beobachten, Markus beim Nachfüllen von Tinte und Markus klappt nach der Arbeit das Schreibpult zu. Der Maler schildert uns in den vier Bildern immer anders gestaltete Schreibstuben. Dieser Flügelaltar ist nicht mehr in seiner originalen Form im spätgotischen, gewölbten Chor der Kirche aufgestellt. Er besaß ursprünglich fest stehende und bewegliche Flügel, so dass er zu den verschiedenen Zeiten des Kirchenjahrs „gewandelt werden konnte“. Im Schrein erscheint die Figur des Patrons, des hl. Wolfgang, umgeben von den hll. Willibald und Sebastian. Auf der ursprünglich nicht zugehörigen gemalten Predella sind die Apostel mit Christus dargestellt.
Der hl. Wolfgang, einer der Patrone des Bistums Regensburg, wurde im späten Mittelalter sehr verehrt. Die wichtigste Pilgerstätte war damals Sankt Wolfgang am Abersee (heute genannt Wolfgangsee), für die Michael Pacher einen seiner berühmten Schnitzaltäre fertigte. Man kann annehmen, dass Velburg an einem der Pilgerwege nach Oberösterreich lag. An wichtigen Etappenstationen errichtete man für die Pilger Wolfgangskirchen.
Die Erbauung der Kirche bei Velburg im Jahr 1467 fällt damit genau in die Blütezeit der Wallfahrt. Diese ist eine weithin sichtbare, spätgotische Saalkirche mit mächtigem Turm im Westen. 1757 wurde der Kirchenraum modernisiert: Das Langhaus erhielt eine Flachdecke mit Fresken von Johann Georg Hämmerl. Seltsamerweise behielt man die spätgotischen Altäre bei.
Der Altar und seine Malereien werden in die Zeit um 1490-1500 datiert, und die Werkstatt ist von Alfred Stange, dem Verfasser des Corpus-Werkes über gotische Malerei, in Regensburg lokalisiert worden. Die Gemälde sind stilgeschichtlich nicht nur bedeutsam, weil man den Versuch von räumlicher Darstellungsweise spüren kann, sondern sie sind auch als kulturhistorische Dokumente von unschätzbarem Wert, weil sie uns anschaulich machen können, wie wir uns die Arbeit in mittelalterlichen Schreibwerkstätten vorzustellen haben. Weil unsere Kenntnisse darüber fast nur auf schriftlichen Quellen beruhen, sind solche Bildquellen für die Geschichtsforschung so wichtig.
Emanuel Braun